Wasser – Stelles wertvollster Bodenschatz

Warum findet man in der Ortslage von Stelle so viele Quellen so dicht beieinander? Der Grund für diesen Wasserreichtum liegt darin, dass der Ort sich entlang des Randes der Geest streckt, wo das Grundwasser der höheren Lagen an den Hängen an die Oberfläche drückt. In früheren Zeiten haben Stelles Bewohner dies als Vorteil genutzt, da Mensch und Vieh das Wasser brauchten.

Als aber die Agrarreform mit der Verkoppelung 1836 fast die gesamte Feldmark in landwirtschaftliche Nutzflächen umwandelte, störte das Wasser die wirtschaftlichen Zwecke, und die Wasserläufe wurden begradigt. Nachdem 1840 die Provinzialstraße (heute: K 86) und die Eisenbahn 1847 genau entlang der Hanglage gebaut wurden, entstanden an diesen Verkehrsachsen immer mehr Wohnhäuser, Gewerbebetriebe und Straßen - besonders durch das Wachstum und den Bauboom seit dem 2. Weltkrieg. Hier störte der Wasserreichtum noch mehr, sodass innerorts immer mehr Bäche in Rohren unter die Erde verbannt wurden. Damit sollte das störende Wasser möglichst schnell fortgeschafft werden in Richtung Elbe.

Die Entwicklung des Gewerbegebietes Fachenfelde seit 1970 trocknete wertvolle Feuchtgebiete aus, wodurch Biotope von Kreuzkröte, Bärlapp und Knabenkraut (einer Orchideenart) vernichtet wurden. Der Bau der beiden Zentrallager von REWE und Aldi bis 2023 begrub schließlich zusammen noch ca. 350.000 m² (= ca. 50 Fußballfelder) Boden unter Asphalt und Beton. Auf dieser riesigen Fläche kann kein Regenwasser mehr flächig versickern, womit die Bildung von Grundwasser drastisch vermindert und das Lokalklima beeinträchtigt wird.

Dies führt heute dazu, dass der Landwirtschaft in der Steller Feldmark - und mehr noch auf der höheren Geest - das Wasser für die Nutzpflanzen fehlt, sodass Landwirte dort in tiefere wasserführende Schichten bohren müssen, um mit hoch gepumptem Grundwasser ihre Feldfrüchte beregnen zu können. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, denken mehr und mehr Menschen darüber nach, die Entwässerungspolitik der letzten 170 Jahre teilweise rückgängig zu machen.

 

Mit diesem Erfahrungshintergrund erkundeten Klimaschützer, Umweltschützer, heimat­kundlich Interessierte und ein Landschaftsarchitekt im Frühling 2022 Quellen und Bäche in und unter Stelle. Beim Aufspüren der inzwischen weitgehend verrohrten Gewässer halfen alte Landkarten und Ortspläne.

Das Anliegen: „Stelles Ortsbild und Klima durch Gewässer beleben!“

Bild 1: Hier  - zwischen Volksbank und Seniorenwohnanlage an der Niedersachsenstraße  - könnte ein Park mit artenreichem Feuchtgebiet entstehen, wenn man den Bachlauf anstauen und durch Mäander verlangsamen würde (Bild 1-3 von Lothar Steffen)

Die Bäche Im Ahler (1) und am Museum (2) könnte man wieder öffnen und naturgemäß gestalten, denn hier ist ausreichend Platz für einen Ufersaum, an dem Kräuter wachsen und Libellen leben könnten. Für solch eine Renaturierungsmaßnahme hätte der Dorfbach (3) nicht genug Raum, denn er verläuft unter der Kreisstraße „Unter den Linden“. Er erblickt das Tageslicht erst hinter dem Bahnhof - zwischen den Parkplätzen (4). Schließlich mündet er in den Deichgraben am Achterdeich – genau im verlandeten Hafen (5), von wo vom 1. bis zum 2. Weltkrieg Motorschiffe Waren zwischen Stelle und dem Hamburger Großmarkt beförderten. Der Dorfbach entspringt im Pagensood (6), um den herum einst die ersten Höfe des Dorfes sich ansiedelten. Die Teilnehmer des Ausflugs entwickelten die Idee, hier wieder einen Quellteich zu öffnen, aber kleiner als den, der bis 1960 bestanden hatte, sodass die Linden geschont werden. Die Teilnehmer der Tour wünschen, dass der Bach „An der Tränke“ (7) nicht weiter verrohrt wird, wenn das Gelände der Volksbank an der Niedersachsenstraße demnächst neu bebaut wird (Bild 1).

Bild 2: Auch der Latenbrook, zwischen Harburger Straße, Niedersachsenstraße und Unter den Linden gelegen, bietet sich für eine Gewässer-Renaturierung an. Hier wäre genug Raum für einen artenreichen Ufersaum.

Hier ist Platz genug, um einen breiten Ufersaum naturnah, artenreich und idyllisch anzulegen – evtl. sogar als Parkanlage. Dass der Bach im Latenbrook (8) im Bebauungsplan als „Entwässerungsgraben“ bezeichnet wird, zeigt den Klimaschützern, dass die Politiker den ökologischen Wert der grünen Aue mitten im Ort noch nicht erkennen (Bild 2). Auch hier bietet sich eine Renaturierung durch Anlage des ursprünglichen Verlaufes in Biegungen an – wie auf der ältesten Karte von 1772 zu sehen.

Der Bach, der unter dem REWE-Lager entspringt und zur Uhlenhorst (9) verläuft, drückt so viel Wasser auf die Straße, dass die Fahrbahn bei Frost zur Eisbahn wird. Falls die jüngste Erweiterung der REWE-Betriebsfläche die Ursache für diese Unfallgefahr ist, muss sie zurückgebaut werden.

Lob bekam der Eigentümer eines Grundstückes am Kohlenbach (10), der den begradigten Wasserlauf in Privatinitiative in Biegungen umgebaut hat (Bild 3). Der Unterlauf des Heidbeeks (11), der zur Zeit noch verrohrt neben der Straße „Zum Reiherhorst“ verläuft, könnte wieder geöffnet und geschlängelt werden, denn hier wäre genug Platz für eine naturnahe Gestaltung des Ufersaumes.

Sorgen macht den Umweltschützern die Bedrohung des Oberlaufs des Heidbeeks (12) in der Pennekuhle, dessen sumpfiger Teil als Biotop nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz gesetzlich geschützt ist. Um seinen Quellbereich herum ist das bisherige Regen­versickerungsgebiet durch Beton und Asphalt versiegelt worden für das Zentrallager von Aldi. Die Naturschützer befürchten, dass nun nicht mehr genug Wasser das Biotop erreicht, wodurch die geschützten Sumpfpflanzen absterben könnten. Die Quelle fördert schon jetzt viel weniger Wasser, seit vor 50 Jahren wasserführende Schichten durch den Bau der Umgehungsbahn in einem 15 Meter tiefen Einschnitt unterbrochen wurden.

(Die Ziffern im Text verweisen auf die Nummern in der Karte aus 2023 unten rechts)

Bild 3: Kohlenbach - als Beispiel und Vorbild für gelungene Renaturierung in Privatinitiative

Besonders nach dem trockenen Sommer 2022 wäre die Renaturierung der Gewässer in Stelle sicher ein sinnvoller Beitrag, den Wasserhaushalt in den Böden und das Klima in und um Stelle zu verbessern – bis hin zur Erhöhung des Grundwasserspiegels und damit zur Erhaltung des Trinkwasserreservoirs. Denn je länger das Wasser durch Anstauungen und Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit in Biegungen und Mäandern aufgehalten wird, desto feuchter bleibt der Boden, und durch Verdunstung würde das Lokalklima verbessert.

Die Begehung zog Teilnehmer aus Stelle, Ashausen, Scharmbeck, Winsen, Maschen und sogar Buchholz an. In einem regen Austausch trugen die ortskundigen Teilnehmer der Tour Einträge in einem Fließgewässerplan von Stelle zusammen, der bei der Ausstellung „Schaffendes Stelle“ 2022 der Öffentlichkeit vom BUND vorgestellt wurde. Er ist erhältlich bei: stelle(at)bund-elbe-heide.de . Die Karte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Alle Ortskundigen und Anlieger sind aufgerufen, Korrekturen oder Ergänzungen unter der Emailadresse stelle(at)bund-elbe-heide.de zu melden.

Thomas Rieckmann, BUND Stelle

(Die Ziffern im Text verweisen auf die Nummern in der Karte aus 2023 unten rechts)

Bäche und Quellen in Stelle um 1772

nach der Kurhannoverschen Landesaufnahme Blatt Harburg / Blatt Kirchwerder 

 

Bäche und Quellen in Stelle 2023 (Kartengrundlage OpenStreetMap

Bäche und Quellen  in Stelle 2023

Ziffern und Örtlichkeiten in der Karte aus 2023 

(1) = Bach "Im Ahler"

(2) = Bach "Am Museum"

(3) = Dorfbach

(4) = Dorfbach hinter dem Bahnhof

(5) = Dorfbach am verlandeten Hafen

(6) = Quelle des Dorfbaches: "Pagensood"

(7) = Bach "An der Tränke" (Bild 1)

(8) = Bach "Im Latenbrook" (Bild 2)

(9) = Bach "Zur Uhlenhorst"

(10) = Grundstück "Am Kohlenbach" (Bild 3)

(11) = Unterlauf des Heidbeeks

(12) = Quelle und Oberlauf des Heidbeeks in der "Pennekuhle"

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